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Mieter müssen Wohnungen für Flüchtlinge räumen: "Es war für mich ein absoluter Schock"

"Das ist ja pure Enttäuschung"

Flüchtlinge müssen in Deutschland menschenwürdige Unterkünfte bekommen - das steht völlig außer Zweifel. Doch die aktuelle Situation mit Hunderttausenden neuen Flüchtlingen führt auch zu Extremfällen wie jetzt im nordrhein-westfälischen Nieheim. Dort sollen zwei Frauen ihre Wohnungen räumen, weil die Stadt dort Flüchtlinge einquartieren will.

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Mieter müssen Wohnungen für Flüchtlinge räumen: "Es war für mich ein absoluter Schock"
Beate Czaja muss nach 23 Jahren aus ihrer Wohnung ausziehen, weil die Stadt Eigenbedarf angemeldet hat. © RTL

Seit sechzehn Jahren wohnt Bettina Halbey schon in ihrer Wohnung, sie fühlt sich wohl in dem kleinen Mietshaus. Doch ab Mai 2016 will die Stadt hier Flüchtlinge einquartieren - und schickte der 51-Jährigen deshalb die Kündigung. "Ich war fassungslos", so Frau Halbey. "Ich hab' den Brief im Beisein des Postboten geöffnet, der Hausmeister war dabei, auch er hat nichts davon gewusst. Es war für mich ein absoluter Schock und ich kann es bis jetzt nicht begreifen."

Das Haus gehört der Stadt - und die muss immer mehr Flüchtlinge verteilen. Deshalb hat Nieheim den Mietern gekündigt. Hierbei handele es sich um "Kündigungen aus berechtigtem Interesse" nach § 573 des Bürgerlichen Gesetzbuches, sagt Bürgermeister Rainer Vidal. Der Grund für den Schritt sei die große Zahl alleinreisender junger Männer, die der Stadt zugewiesen werden. Viele private Vermieter seien bei deren Unterbringung zurückhaltend. Deshalb müsse die Stadt eigenen Wohnraum suchen, um die Männer in Gruppen unterzubringen. "Gemacht haben wir es deswegen, weil wir Lösungen brauchen, und zwar Lösungen, die die Allgemeinheit so wenig wie möglich belasten, danach suchen wir. Das heißt aber nicht, dass dadurch nicht Einzelne belastet werden", sagt Vidal.

Mieterschutzbund übt Kritik: "Rechtlich problematisch und politisch katastrophal"

Auch Beate Czaja und ihre beiden Töchter wurden vor die Tür gesetzt. "Ich lebe jetzt 23 Jahre hier, meine Kinder sind hier geboren, die wachsen hier auf, und dann kriegst du so einen Tritt in den Hintern, das ist ja pure Enttäuschung." Während Beate Czaja die Kündigung akzeptiert hat, überlegt Bettina Halbey, sich zu wehren. Und sie könnte durchaus Chancen haben.

Der Mieterverein bezweifelt, dass die Eigenbedarfskündigung der Stadt Nieheim in Ordnung ist und äußerte Kritik an dem Vorgehen. Es sei "rechtlich problematisch und politisch katastrophal", so ein Sprecher. Es gehe bei dem Paragrafen um Eigenbedarf, der nur von natürlichen Personen und nicht von Städten oder Unternehmen in Anspruch genommen werden dürfe. Außerdem sei es keine Lösung, Mietern zu kündigen, um Flüchtlinge unterzubringen. Man spiele so die deutsche Bevölkerung und die Flüchtlinge auf dem Wohnungsmarkt gegeneinander aus. Juristen empfehlen, gegen eine solche Kündigung wegen Eigenbedarfs auf jeden Fall Widerspruch einzulegen. "Begründet werden kann das damit, dass die Kündigung für den Mieter oder nahe Familienangehörige eine unzumutbare Härte darstellt", erklärt Rechtsanwalt David Burkhardt.

In Nieheim wohnen derzeit 71 Asylbewerber. In Zukunft sollen pro Monat rund 20 hinzukommen, sagt Bürgermeister Vidal. Die städtische Turnhalle werde nicht für die Unterbringung genutzt. Aufgrund von Schul- und Vereinssport seien dann mindestens 1.000 Menschen betroffen und nicht nur einige wenige. Mit Beate Czaja hat sich die Stadt Nieheim bereits geeinigt, bis August 2016 könne sie noch in der städtischen Wohnung leben, so der Bürgermeister. Bettina Halbey habe noch bis Mai 2016 Zeit, sich eine neue Wohnung zu suchen. Hierbei wolle die Stadt helfen. Für Alleinstehende gebe es ausreichend Wohnraum, es fehle aber an Platz für größere Gruppen.


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